Donnerstag, 5. Dezember 2013

Paul Herzog von Oldenburg: In Brüssel ist die Abtreibungslobby besonders aktiv und gut organisiert (Interview)

Bei einer Anti-Abtreibungs-Demo in Brüssel
Paul Herzog von Oldenburg ist Leiter des Büros der „Föderation Pro Europa Christiana“ (FPEC) in Brüssel. FPEC ist ein Zusammenschluss diverser christlich orientierter Organisationen aus ganz Europa: Deutsche Vereinigung für eine Christliche Kultur (Deutschland), Stowarzyszenie Kultury Chrześcijańskiej Piotr Skarga (Polen) Tradition Famille Proprieté (Frankreich), SOS Ragazzi (Italien) und weitere. Das Büro in Brüssel repräsentiert diese Organisationen gegenüber den Institutionen der Europäischen Union. Mit Paul Herzog von Oldenburg sprach Mathias von Gersdorff (Aktiv bei der Aktion SOS LEBEN der DVCK e.V.)

Mathias von Gersdorff: Die Hartnäckigkeit der Abtreibungslobby hinsichtlich des „Estrela-Reports“, der nichts Geringeres fordert als ein europaweites „Recht auf Abtreibung“ ist beachtlich. Was sagen Sie dazu?

Paul Herzog von Oldenburg: Die Affäre „Estrela“ bekam eine hohe öffentliche Aufmerksamkeit dank der vielen Lebensrechtsorganisationen in ganz Europa, die dagegen protestiert haben. Aus diesem Grund sind auch die Unregelmäßigkeiten des Verfahrens bekannt geworden. Allerdings ist diese Vorgehensweise nicht neu: Linke Kräfte im Europäischen Parlament haben es mit den parlamentarischen Regeln nie so ganz genau genommen. Nur ist es diesmal bekannt geworden.

MvG: Können Sie Beispiele geben?

PvO: Die Abtreibungslobby tut schon seit langem so, als ob das Europäische Parlament ein „Recht auf Abtreibung“ verkündigen kann. Beispielsweise forderte das Parlament in der Resolution vom 1. Dezember 2011 von der Kommission, sie solle „. . . eine sichere und legale Schwangerschaftsunterbrechung und Betreuung nach der Schwangerschaftsunterbrechung“ sicherstellen.

Abgesehen von der moralischen Verwerflichkeit einer solchen Forderung, steht dem Europäischen Parlament nicht zu, solche Forderungen zu stellen.

Damals haben manche Organisationen, die die FPEC bilden, Unterschriften gegen diese Resolution gesammelt, darunter auch die Aktion SOS LEBEN der DVCK.

MvG: Und hat es was gebracht?

PvO: Selbstverständlich: Wir – also FPEC samt den Mitgliedsorganisationen in mehreren europäischen Ländern – waren zusammen mit einigen wenigen anderen die ersten, die auf die europäische Dimension der Abtreibungsfrage hingewiesen haben und wie wichtig es sei, da aktiv zu werden.

Heutzutage gibt es erfreulicherweise viele, die die Vorgänge in Brüssel und Straßburg beobachten und auch schnell aktiv werden. Das Ergebnis des Bürgerbegehrens One-of-us, das ist ein beeindruckendes Zeichen, wie sich da vieles zum Positiven geändert hat. An dieser Bürgerinitiative haben sich nahezu alle Lebensrechtsorganisationen Europas beteiligt. Das ist wichtig, denn in Brüssel ist die Abtreibungslobby besonders aktiv und organisiert.

MvG: Wie geht es mit Estrela weiter?

PvO: Falls Parlamentspräsident Martin Schulz, SPD, der für „Estrela“ ist, die Abstimmung im Parlament zulässt, wäre das ein Skandal und für ihn und seine Karriere nicht risikolos. Er würde gerne Präsident der Kommission werden. Sollte er parlamentarische Regeln brechen, würde er sich angreifbar machen.

Aber auch wenn „Estrela“ es jetzt nicht ins Plenum schafft oder gar endgültig ad acta gelegt wird, wird die Abtreibungslobby nicht aufgeben. Bald wird sie mit einer neuen Vorlage versuchen, ein „Recht auf Abtreibung“, eine liberale Sexualkunde usw. zu fordern. Allerdings wäre damit nicht vor der Europawahl Ende Mai zu rechnen und es ist davon auszugehen, dass die linken Parteien schwächer als 2008 abschneiden werden. Das ist wohl auch der Grund, wieso sie es mit „Estrela“ so eilig haben.